Sozialgerichtsprozess

Bei Streitigkeiten über sozialrechtliche Ansprüche können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit angerufen werden. Nach dem Sozialgerichtsgesetz gibt es Sozialgerichte (1. Instanz), Landessozialgerichte (2. Instanz) und das Bundessozialgericht in Kassel (3. Instanz). Die Kammern der Sozialgerichte sind mit einem Berufsrichter oder einer Berufsrichterin und zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern aus  Kreisen der Arbeitgeber, der Versicherten, der Krankenkassen, der Vertrags(zahn-)ärzte, der Psychotherapeuten, der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen, der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen oder aus den Vorschlagslisten der Kreise und kreisfreien Städte besetzt. Die Senate der Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts bestehen aus 3 Berufsrichterinnen und -richtern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern aus den gleichen Kreisen.


Die Zuständigkeit der Sozialgerichte erstreckt sich auf alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus der Sozialversicherung (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung, Alterssicherung für Landwirte), der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung, der Kriegsopferversorgung (Kriegsopfer, Hilfen für) und dem Kassenarztrecht sowie auf andere gesetzlich zugewiesene Rechtsgebiete (z.B. Grundsicherung für ArbeitsuchendeSozialhilfeAsylbewerberleistungsgesetzElterngeldBayerisches FamiliengeldPflegeversicherungBlinde, Hilfen fürWehrdienstImpfschädenGewalttatenAusweis für schwerbehinderte Menschen). Die Sozialgerichte sind nicht zuständig für Streitsachen aus der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge und dem Lastenausgleich (hierfür siehe Verwaltungsgerichtsprozess). Örtlich zuständig ist das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht klagen. Hat der Kläger seinen Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland, so ist örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat.


Das Verfahren beginnt mit der Klage zum Sozialgericht, die in der Regel innerhalb eines Monats (bei Bekanntgabe im Ausland innerhalb von 3 Monaten) nach der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingereicht werden muss. Grundsätzlich hat ein Vorverfahren vorauszugehen. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat, einzureichen. Die Frist gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde, einem Versicherungsträger oder einer deutschen Konsularbehörde eingegangen ist.


Für die Prozessvertretung gilt, dass die Beteiligten in der 1. und 2. Instanz den Prozess selbst führen oder sich durch Bevollmächtigte (z.B. Verbandsvertreter / Verbandsvertreterinnen, Rechtsanwälte / Rechtsanwältinnen, volljährige Familienangehörige, Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern) vertreten lassen können. Vor dem Bundessozialgericht besteht Vertretungszwang durch Rechtsanwälte / Rechtsanwältinnen oder Verbandsvertreter / Verbandsvertreterinnen, ausgenommen für Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts.


Die Vertretungskosten muss in allen Instanzen jeder Beteiligte zunächst selbst tragen. Das Gericht hat jedoch im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Kosten der Behörden und Versicherungsträger sind bis auf wenige Ausnahmen nicht zu erstatten. Im sozialgerichtlichen Verfahren richtet sich die anwaltliche Vergütung in der Regel nach Betragsrahmengebühren. Je nach Tätigkeit kann der Rechtsanwalt dabei in einem Rechtsstreit etwa eine Verfahrens-, eine Termins- und eine Einigungsgebühr verdienen. Die Terminsgebühren bewegen sich in der 1. Instanz zwischen 50,00 € und 510,00 €, in der 2. Instanz zwischen 50,00 € und 510,00 € und in der 3. Instanz zwischen 80,00 € und 830,00 €. Die Verfahrensgebühren liegen in der 1. Instanz zwischen 50,00 € und 550,00 €, in der 2. Instanz zwischen 60,00 € und 680,00 € und in der 3. Instanz zwischen 80,00 € und 880,00 €. Außerdem sind dem Anwalt die notwendigen Auslagen zu erstatten.


Kann ein Beteiligter die Kosten vor Gericht nachweislich nicht aufbringen und ist er nicht durch einen Verbandsvertreter / eine Verbandsvertreterin vertreten, so kann ihm Prozesskostenhilfe bewilligt und der von ihm bestimmte bzw. auf seinen Antrag hin ein vom Gericht ausgewählter Rechtsanwalt / eine vom Gericht ausgewählte Rechtsanwältin beigeordnet werden.


Gerichtskosten entstehen keine für Versicherte, Leistungsempfänger und behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger, soweit sie in dieser Eigenschaft am Verfahren beteiligt sind; die anderen Beteiligten (z.B. Versicherungsträger) müssen für jede Streitsache unabhängig vom Ausgang des Rechtstreits eine Gebühr entrichten. In den übrigen Verfahren (z.B. zwischen Arbeitgebern und Versicherungsträgern, Versicherungsträgern untereinander oder Ärzten und Kassenärztlichen Vereinigungen) fallen Kosten nach dem Gerichtskostengesetz an.


Das Sozialgericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind hierbei heranzuziehen, das Gericht ist jedoch nicht an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Das Gericht entscheidet aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil.  Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Soweit die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, kann das Sozialgericht zur Verfahrensbeschleunigung ohne mündliche Verhandlung und ohne ehrenamtliche Richter / ehrenamtliche Richterinnen durch Gerichtsbescheid entscheiden.


Rechtsmittel sind Berufung, Revision und Beschwerde. Gegen Urteile und Gerichtsbescheide des Sozialgerichts ist innerhalb eines Monats (bei Zustellung im Ausland innerhalb von 3 Monaten) Berufung an das Landessozialgericht zulässig. In bestimmten Fällen ist die Berufung gesetzlich ausgeschlossen. Wenn sie vom Sozialgericht im Urteil oder Gerichtsbescheid nicht zugelassen wird, kann gegen die Nichtzulassung innerhalb eines Monats Beschwerde zum Landessozialgericht erhoben werden. Gegen Urteile des Landessozialgerichts kann Revision zum Bundessozialgericht eingelegt werden, wenn sie vom Landessozialgericht oder auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin vom Bundessozialgericht zugelassen worden ist. In bestimmten Fällen kann auch gegen Urteile des Sozialgerichts Revision an das Bundessozialgericht (also ohne vorausgehendes Berufungsverfahren) eingelegt werden (Sprungrevision). Die Frist für die Einlegung der Revision beträgt einen Monat nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (bei Zustellung im Ausland 3 Monate). Innerhalb von 2 Monaten ist die Revision zu begründen.


Über Beschwerden gegen andere Sozialgerichtsentscheidungen entscheidet das Landessozialgericht. Allen Urteilen und Entscheidungen muss eine vollständige Rechtsmittelbelehrung beigefügt sein.


Für die Zwangsvollstreckung gelten grundsätzlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung mit bestimmten Abweichungen hinsichtlich der Vollstreckbarkeit. Vollstreckungen zugunsten von Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts richten sich nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz.


Sozialgerichtsgesetz, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Zivilprozessordnung

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